Hochtemperaturmalerei

Ein zweidimensionales Bild entsteht immer auf Leinwand, Papier, Holz oder allenfalls in früheren Zeiten mal auf Kupferplatten? Stimmt nicht: Guido Kratz bringt seine Bilder auf den Träger, der ihm am meisten liegt, mit dem er sich heimisch und vertraut fühlt: er malt Bilder auf Keramik.

Wie ein Kinderspiel

Die Anregung zu dieser ganz eigenen Kunstrichtung bekam Guido Kratz von Kindern – Kinder, vertieft ins Spiel, die konzentriert und scheinbar zweck- und funktionsfrei Farben auf Pflastersteine aufbringen und dabei kreativ und ohne Hemmungen alle möglichen und denkbaren Muster und Strukturen entwickeln und faszinierende Ergebnisse erzielen.

Herstellung

Der Bildträger wird aus Ton sehr dünn in einem Gießverfahren als rechteckige, leichte Platte erstellt. Die größtmögliche Platte hat ein Maß von 80×50 cm. Nach dem Brennen wird sie in mindestens zwei verschiedenen Schichten bemalt: manche Stellen sind dabei ausgespart, andere werden übermalt und überstrichen. Zugrunde liegt immer eine weiße Glasur, die die Farben darüber leuchten lässt. Es entstehen im wahrsten Sinne des Wortes tiefgründige Werke, die so manches verbergen, anderes aber durchschimmern lassen. Eine spürbare haptische Reliefhaftigkeit entsteht durch Ritzungen, die dem Werk mit verschiedenen Gegenständen beigebracht werden und eine weitere Gestaltungsebene an der Oberfläche bieten.

Bis zu diesem Zeitpunkt ähnelt das Vorgehen der klassischen Malerei: Farbe wird übereinander aufgebracht und am Schluss erhält der Künstler das gewünschte Ergebnis des Zusammenwirkens von Farbe und Formen. Die für den Keramik-Träger verwendeten Farben sind allerdings besonders hergestellte, hochspezialisierte Farbkörper, die aus Kügelchen bestehen und so die manchmal giftigen Inhaltsstoffe umschließen. Es gibt nur wenige leuchtende Farben, die klar und unvermischt nebeneinanderstehen.

Der Brand

Nach dem Auftrag der Farben kommt Spannung ins Spiel: Um die Farbe zu trocknen und haltbar zu machen, muss sie gebrannt werden. Das ist der Moment, wo im Schaffensprozess der Zufall eine wichtige Rolle bekommt: der Künstler gibt das wohlpräparierte, sorgfältig erstellte Werk aus der Hand. Es ist für ihn nun kaum mehr zu steuern, wie die Farben in der Hitze reagieren, er muss sich auf sein Geschick und seinen großen Erfahrungsschatz bei der Vorbereitung verlassen und übergibt dann den letzten Schritt in der Entstehung dem Ofen.

Hochtemperaturmalerei

Der von Kratz dafür eigens erfundene Begriff “Hochtemperaturmalerei” ist wörtlich zu verstehen: die Farben werden nicht wie in der Öl- oder Acrylmalerei durch das Trocknen fest, sondern müssen bei ca. 1300 °C gebrannt werden. Dabei darf die Temperatur weder zu hoch noch zu niedrig sein, um die Farben in ihrer vollen Wirkung zu zeigen und das gewünschte Ergebnis irgendwo zwischen Anschmelzen und Verlaufen zu erhalten. Anders als Ölfarben, die im Laufe der Jahre auf der Leinwand Veränderung erfahren durch Sonneneinstrahlung, durch die klimatischen Bedingungen usw., verändert sich die ausgehärtete Farbe auf der Keramik nach dem Brennen nicht mehr. Sie ist härter als Stahl, lichtecht und temperaturunempfindlich und nicht kaputt zu bekommen – es sei denn, das Objekt fällt runter! Durch das Brennen bekommen die Werke eine seidig schimmernde, glasartige Anmutung.

Bilder vom Tango

Guido Kratz ist begeistert vom Tango – er tanzt selber, beobachtet aber auch gerne andere Paare. Wichtig für den Tango ist die Musik, aus der sich Rhythmus und Bewegung der Körper entwickeln. Aus diesen unmittelbaren sinnlichen Eindrücken entstehen die Tangobilder. Sie zeigen abstrahierte Figuren, die runden Formen sind gut als Köpfe zu erkennen, darunter vertikal gezogene Linien und Flächen werden schnell als Körper interpretiert. Alles ist bewegt, nichts ist eindeutig, Formen, Muster und Farben variieren nebeneinander.

Der gewünschte Effekt der Bewegung, der Uneindeutigkeit kommt durch die genannte Technik zustande: die Bilder entstehen in übereinanderliegenden Schichten, Teile des unteren Bereichs bleiben sichtbar und beim Brennen verschmilzt alles unterschiedlich. So zeigen sich reizvolle Farb- und Formvarianten und es entstehen atmosphärisch dichte, unmittelbare Eindrücke von Tanzszenerien.Seit einigen Jahren tanze ich Tango. Ich verbringe viel Zeit damit, tanzen zu gehen und neue Schritte zu lernen. Aber gerne beobachte ich auch, wie andere Paare tanzen und wie sie sich gemeinsam zur Musik bewegen. Aus diesen Eindrücken sind meine Tangobilder entstanden. Die Bilder entstehen auf auf dünnen Keramikplatten, die ich selbst herstelle.

Farbige Keramik Strukturen

Die abstrakten Strukturbilder gehen noch einen Schritt weiter: Guido Kratz holt seine Anregungen dafür aus alltäglichen Beobachtungen einfacher Strukturen in seiner Umgebung. Das können Stein- oder Holzmaserungen sein. Diese manchmal im Vorbeigehen wahrgenommenen Muster und geometrischen Anordnungen überträgt Kratz motivisch auf seine Bilder. Er abstrahiert sie in dem Maße, dass ihr Ursprung, ihre Herkunft kaum mehr zu erkennen ist. Übrig bleiben rhythmisch gegliederte Bilder in kontrastierenden Farben und Formen – mal sind es vertikale Streifen, mal horizontale rechteckige Blöcke, mal mäandernde Bänder, die das Bild überziehen und die Phantasie anregen. In der Wirkung der unterschiedlichen Schichten, Farben, Formen und Strukturen entstehen bewegte, kontrastreiche, abstrakte Bilder.

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