Hier können Sie den Text von Prof. Dr. Rainer Zech lesen. Aus dem vorliegenden Text habe ich das Bild destilliert.
Typ 1: Die familiäre Organisation
Die familiäre Organisation organisiert ihre Beziehungen persönlich. Sie legt Wert auf zwischenmenschliche Wärme und Sozialität. Auch wenn man sich diffus als Teil übergeordneter Strukturen sieht, bleibt dieses Wissen doch abstrakt, und man wähnt sich als Einrichtung weitgehend autonom. Als Organisation begreift man sich interaktionistisch; ein Unterschied zwischen zwischenmenschlichem Umgang und formaler Organisation wird nicht gemacht. Die Spezialsemantik dieses Organisationstyps entspricht daher auch dem Harmoniemilieu der bürgerlichen Mitte.
Das Bildungsverständnis ist integrativ; man wendet sich an alle und schließt niemanden aus. Bildung wird als gesellschaftliche Aufgabe der Entwicklung von Menschen verstanden. Der pädagogische Anspruch, Lernen als Selbstbestimmung zu organisieren, ist hoch. Zufriedenheit, Wohlbefinden und Lebensqualität sollen erreicht werden. Gelungenes Lernen findet in einem Kontext von Zufriedenheit, Wohlbefinden und Angstfreiheit statt und wird als Selbsttätigkeit mit dem Ziel der persönlich bereichernden Entwicklung verstanden. Ob alle angezielten gesellschaftlichen Gruppierungen sich unter diese elaborierte Bildungsvorstellung subsumieren können, ist fraglich; sie scheint vor allem in einer relativ gut situierten gesellschaftlichen Mitte anschlussfähig zu sein. Dem entspricht die Tatsache, dass Aussagen zur Lernmotivation fehlen; sie scheint als selbstverständlich unterstellt zu werden, was auch nur auf bestimmte gesellschaftliche Milieus zutrifft.
Die familiäre Organisation fokussiert entsprechend ihres Bildungsziels, Zufriedenheit und persönliches Wohlbefinden zu steigern, auch bei der Evaluation auf die Zufriedenheit. Die Zufriedenheit ist gleichzeitig zentraler Inhalt der Evaluationen als auch zentrales Bewertungskriterium. Die Mitarbeitenden der familiären Organisation sind sich der Evaluationskompetenz als Teil ihrer pädagogischen Professionalität bewusst und verwenden die Evaluation zur Überprüfung und Bewertung von Lernprozessen und zur Steuerung im Rahmen der Programmplanung. Sie nutzen insbesondere das Gespräch als Ort für die Diskussion über den Umgang mit Evaluationsergebnissen. Objektivierbare Prüfkriterien oder Lernerfolgsindikatoren braucht die familiäre Organisation nicht, Zufriedenheit ist im Zweifel am besten emotional spürbar.
Die familiäre Organisation beschreibt gemäß ihrem Organisationszweck, Bildung für alle anzubieten, einen sehr weiten Kundenbegriff. In der Kundenkommunikation sind vor allem Beziehungs- und Dialogorientierung sehr ausgeprägt. Dies entspricht ebenfalls der hohen Bedeutung, die in dieser Organisation den persönlichen Beziehungen, dem Wohlfühlen, der Zufriedenheit und der Harmonie beigemessen wird. Die formale Strukturiertheit der Kundenkommunikation wird dagegen nicht so wichtig genommen. Die Kreativität der entsprechenden Verfahren liegt im oberen Mittelfeld.
Das Steuerungsprinzip der familiären Organisation ist evolutionär. Die Organisationsmitglieder stehen in engen persönlichen Beziehungen zueinander. Im Rahmen dieser unmittelbaren Interaktionen werden die Ziele gemeinsam aufgestellt und die Entscheidungen im Konsens getroffen. Anstehende Probleme werden im persönlichen Diskurs gelöst. Die Organisation hat eine flache Hierarchie und ein partizipatives Selbstverständnis. Es sollen möglichst alle Mitarbeitenden an der Entscheidung beteiligt sein, und nur im Krisenfall werden die hierarchischen Strukturen zur Entscheidungsfindung in Anspruch genommen. Da der familiären Organisation aber bewusst ist, dass sie auch im Wirtschaftssystem existiert und den Finanzgebern zur Rechenschaft verpflichtet ist, weist sie in ihrer Selbstbeschreibung eine strukturierte und umfangreiche Controllingdarstellung im Hinblick auf wirtschaftliche Gesichtspunkte aus. Das organisationale Management wird zwar als professionell behauptet; formale Managementstrukturen und -verfahren sind aber wenig ausgeprägt. Führung wird als personale Führung von Menschen verstanden, nicht als Unternehmensführung im umfassenden Sinne. Diese Zentrierung auf persönliche Beziehungen – sowohl organisationsintern als auch zur Umwelt, d.h. zu Kunden/Teilnehmenden, Dienstleistern/Kursleitenden und Kooperationspartnern – kann verlässliche und loyale soziale (Erwartungs )Strukturen ermöglichen. Die Steuerungskapazität formaler Organisation – sprich: professionelles Management – dürfte aber eingeschränkt sein.
Das Personalverständnis der familiären Organisation hat den ganzen Menschen als privates, soziales und berufliches Wesen im Blick. Die gemeinsame Identität und die Zusammenarbeit stehen im Mittelpunkt der Personalführung. Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter werden in erster Linie nach der Passgenauigkeit zum Team ausgesucht und nicht nach formalen Qualifikationen. Der Organisation ist es wichtig, dass sich alle Mitglieder wohlfühlen und dass unterstützende Beziehungen sowie ein persönlicher Kontakt und Umgang der Mitarbeitenden untereinander bestehen. Das Verständnis vom Menschen sieht diesen als soziales Wesen, als wesentliche Motivatoren bei der Arbeit werden deshalb zwischenmenschliche Beziehungen, Kommunikation am Arbeitsplatz und Teilnahme am Entscheidungsprozess angesehen.
Quelle:
Rainer Zech, Claudia Dehn, Katia Tödt, Stefan Rädiker, Martin Mrugalla, Jürgen Schunter: Organisationen in der Weiterbildung – Selbstbeschreibungen und Fremdbeschreibungen. Wiesbaden 2010: VS-Verlag, S.245-254